Überlandhilfe Unwetter Biberach

Alarmierungszeit:
24. Juni 2021 – 0:42 Uhr
Fahrzeuge:
Einsatzleiter:
Stellv. Kommandant

Im Rahmen der Überlandhilfe befindet sich das LF 20 derzeit gemeinsam mit Einheiten aus Wolfegg und Bad Wurzach  seit heute Nacht in Biberach und hat dort bereits 10 Einsatzstellen abgearbeitet.

Nach den schweren Regenfällen am Abend des 23.06.2021 spitzte sich die Hochwasserlage in mehreren Bereichen der Landkreise Biberach und Sigmaringen derart zu, dass beide Kreise zur Bewältigung der Lage auf Kräfte anderer Landkreise zurückgreifen mussten. So wurden aus dem Landkreis Ravensburg drei Löschfahrzeuge zur Unterstützung in die Stadt Biberach angefordert und um 0:42 Uhr alarmiert.

Das Kißlegger LF 20 machte sich auf den Weg nach Bad Wurzach, wo auch das LF aus Wolfegg erwartet wurde, um im Konvoi mit dem Wurzacher LF und dem Einsatzfahrzeug des stv. Kreisbrandmeister Norbert Fesseler, der auch die Einheit führte, nach Biberach zu fahren.

Bereits die Anfahrt gestaltete sich schwierig, zahlreiche Straße waren aufgrund von Überflutung oder Erdrutsch unpassierbar, vor Ummendorf im Übergang B465/B30 ging nichts mehr. Die B30 alt stand zu diesem Zeitpunkt ca. 1 m unter Wasser, sodass durch die Dörfer ausgewichen werden musste, wo die Straßen auch überspült, aber passierbar waren. Die Anfahrt dauerte insgesamt über 2 Stunden.

Über die B312 (Waldseer Straße) fuhren wir nach Biberach ein, auch sie glich, von ca. 15 cm Wasser überspült, einem reißenden Bach. Zum Zeitpunkt unserer Vorbeifahrt bezog das THW mit schwerem Gerät Stellung am Polizeirevier, das gerade erst evakuiert worden war, da die Wassermassen in die Tiefgarage eindrangen und das Gebäude vor einer weiteren Nutzung erst statisch überprüft werden muss.

Nach einer kurzen Stärkung am Gerätehaus Biberach wurde unserer Einheit das Einsatzgebiet zugeteilt: das Wohngebiet Bachlangen, direkt hinter der Memminger Straße (B465), gegenüber dem Betriebsgelände der Fa. Liebherr, eines der am stärksten getroffenen Gebiete innerhalb der Stadt. Auf dem Weg dorthin fuhren wir vorbei an halbmeterhohen Kiesmuränen, die sich entlang der Straßen häuften. Unmengen an angeschwemmtem Holz, teilweise ganze Bäume waren in die Straßen des Wohngebiets gespült worden. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 800 offene Einsatzstellen abzuarbeiten.

Um ca. 3:15 Uhr begannen wir Einsatzstellen abzuarbeiten, von denen aus der Notruf 4 – 5 Stunden zuvor abgesetzt wurde. Während die Bewohner unserer ersten Einsatzstelle mit vollgelaufenem Keller sich selbst helfen konnten und wieder ins Bett gegangen waren, erwartete uns eine Lage, die sich uns in ihren Ausmaßen bis dato so noch nie gezeigt hatte. Das durchgehende Kellergeschoss mit Tiefgarage eines Ensembles von drei Wohnblocks mit je 18 Partien stand beim Eintreffen zu gut 1/3 unter Wasser, der Wasserstand war zuvor allerdings so hoch, dass die Autos aus ihren Garagenbuchten herausgeschwemmt wurden. Nach dem Abpumpen mit TS 8, Tauchpumpte und Schmutzwasserpumpe blieben eine 10 – 15 cm dicke Schicht aus feinstem Sediment, sowie zerstörte Autos und Mobiliar zurück. In den Morgenstunden stieg die Zahl der Einsatzstellen, da viele Bewohner im Schlaf nicht mitbekommen hatten, dass ihr Untergeschoss mit Wasser vollgelaufen war. Wir arbeiteten uns durch die Straße „Heusteige“, wo immer mehr Anwohner begannen, das Wasser und die Schäden selbst zu beseitigen, wer dies nicht mit eigenen Mitteln tun konnte, wurde von uns unterstützt.

Die Sedimentverschmtzung in dieser Straße beschränkte sich auf Tiefgaragen, Keller und einzelne Flächen vor Abgängen und Abläufen. Im ca. 40 m entfernt, parallel zur Heusteige verlaufenden, aber einige Dezimeter tiefer liegenden Fliederweg zeigte sich ein ganz anderes Bild: hier waren Straße und Gärten mit einer 10 – 40 cm dicken Schicht aus Schlick bedeckt.

Dort stand das Wasser bis zur Decke in den Kellergeschossen. Die Bewohner der Siedlung nahmen die Lage zum größten Teil mit einer vom Hochwasser geprägten Routine hin: taggenau fünf Jahre zuvor wurde die Siedlung erstmalig von einem noch weitaus schlimmeren Hochwasser getroffen, dreieinhalb Wochen danach, als Inventar, Elektrogeräte und Heizungen gerade neubeschafft waren, erneut. Ironie: am Jahrestag der Katastrophe informierte ein Zeitungsartikel über die seither getroffenen Schutzmaßnahmen, die ein vergleichbares Ereignis unmöglich machen sollten – begleitet von einer erneuten Überschwemmung der Siedlung.

Gegen 11.30 Uhr stärkten wir uns im Gerätehaus, danach ging es zurück zu einem Mehrfamilienhaus in den Fliederweg, zu dem wir uns Zugang von einer Haltebucht an der stark befahrenen, vierspurigen Memminger Straße verschafften. Das etwa 250 m² große Kellergeschoss war fast vollständig mit Wasser gefüllt. Zur Entnahme der TS 8 mussten wir die Memminger Straße halbseitig sperren und den Verkehr auf die linke Spur leiten. Die vorbeifahrenden Autofahrer drückten ihre Dankbarkeit durch Hupen, Daumen hoch, Zuwinken und Zurufen aus –sehr nette Gesten, die einen die Augenränder für kurze Zeit vergessen ließen. Dieser Keller konnte nicht vollständig leergepumpt werden, da Grundwasser langsam durch die Bodenabläufe nachlief.

Die Ausstattung unseres LF 20 erwies sich als echter Vorteil: wir konnten mit TS 8, Tauch- & Schmutzwasserpumpe sowie dem Wassersauger je nach Ausmaß gleichzeitig mehrere Einsatzstellen abarbeiten.

Um 14.30 Uhr verließen wir unser Einsatzgebiet, kehrten zum Gerätehaus Biberach zurück, von wo wir nach einem warmen Mittagessen die Rückkehr ins Gerätehaus antraten. Bei Tag zeigte sich das Ausmaß des Unwetters im ländlichen Bereich: die B30 alt stand immer noch unter Wasser, in landwirtschaftlichen Kieswegen waren halbmeter dicke Furchen ausgespült, Felder standen voller Schlick, Bäume waren entwurzelt.
Unser LF 20 und auch wir waren vollkommen verdreckt – die kameradschaftliche Geste, dass wir von einem Putztrupp erwartet wurden, der uns nach 16 Stunden Einsatz dabei unterstützte, das LF wieder auf Vordermann zu bringen, war großartig. Aus den Putzeimern dampfte bei Ankunft das warme Wasser, die Schläuche waren schon hochgetragen, wir mussten nur noch ausräumen, saubermachen und wieder einräumen.